Hanfblätter hängen von der Decke der Bezirksapotheke von Melanie Dolfen am Berliner Alexanderplatz. Ein sichtbares Zeichen dafür, dass Patienten bei der 45-jährigen Apothekerin medizinisches Cannabis erhalten können. Dolfen versorgt seit vielen Jahren schwerkranke Menschen mit einer Sondergenehmigung mit Medizinalhanf – lange bevor Cannabis 2017 in Deutschland zur therapeutischen Verwendung freigegeben wurde.
Die neue Bundesregierung will den Freizeitkonsum von Cannabis für Erwachsene bald legalisieren. Melanie Dolfen ist der Meinung, dass Apotheken die Abgabe an die Verbraucher übernehmen sollten. Sie sagt, dass dies Qualitätskontrolle, Transparenz und Jugendschutz gewährleisten würde.
Seit die Pläne der Ampelkoalition im vergangenen November veröffentlicht wurden, wird viel über die Legalisierung von Cannabis diskutiert. Die einen loben die Entkriminalisierung des Cannabiskonsums, die anderen warnen vor den Gefahren von Gesundheitsrisiken, Sucht und psychischen Störungen, insbesondere bei jungen Menschen.
Der neue, legale Cannabismarkt
Wirtschaftsexperten sind der Meinung, dass ein neuer legaler Markt dem Staat Geld in Milliardenhöhe einbringen könnte. Viele Unternehmen können auch von der Cannabisbranche profitieren.
Finn Age Hänsel ist Mitbegründer und Geschäftsführer des Cannabisunternehmens Sanity Group. Das Unternehmen befindet sich knapp zwei Kilometer von Dolfens Apotheke am Gendarmenmarkt entfernt und ist dort tätig. Das Unternehmen vertreibt CBD-Produkte, also Produkte, die Cannabis als Inhaltsstoff haben. Zu diesen Produkten gehören Duschgel und Schlaföl. Über ein Tochterunternehmen verkauft die Sanity Group auch medizinisches Cannabis.
Das Unternehmen plant, in Zukunft in das Geschäft mit Cannabis für den Freizeitgebrauch einzusteigen. Sie wollen ein System von Geschäften einrichten und betreiben, die Cannabisprodukte verkaufen. Der Sprecher des Unternehmens hat sich seit seinem 17. Lebensjahr für die Entkriminalisierung von Cannabis eingesetzt.
Gesamtbedarf für Freizeitcannabis: 420 Tonnen pro Jahr
Es gibt viele Gründe für die Legalisierung von Cannabis. Ein Grund ist, dass dies dazu beitragen wird, den Schwarzmarkt zu reduzieren. Das liegt daran, dass die Menschen in der Lage sein werden, Cannabis in Geschäften zu kaufen, in denen die Qualität kontrolliert wird. Außerdem wird es für junge Menschen schwieriger, an Cannabis heranzukommen, wenn es legalisiert wird.
Viele illegal gekaufte Drogen sind chemisch verunreinigt, sagt der Freiburger Toxikologe Volker Auwärter. Er untersucht im Auftrag des Universitätsklinikums Freiburg von Staatsanwaltschaft und Zoll beschlagnahmte Drogen. Auch normales Cannabis ist gefährlich, und synthetisches Cannabis kann lebensgefährlich sein.
Im vergangenen Jahr schätzte der Ökonom Justus Haucap von der Universität Düsseldorf die Gesamtnachfrage nach Freizeitcannabis in Deutschland auf etwa 380 bis 420 Tonnen pro Jahr. Bei einem Preis von zehn Euro pro Gramm entspricht dies einem Wert von rund vier Milliarden Euro. Haucap hat errechnet, dass die Legalisierung von Cannabis dem Fiskus insgesamt mehr als 4,7 Milliarden Euro pro Jahr durch zusätzliche Steuereinnahmen und Sozialversicherungsbeiträge einbringen könnte. Dies würde auch zu Einsparungen bei der Strafverfolgung und im Justizwesen führen.
Wie sieht der Anbau von Cannabis in Deutschland aus?
Die Einfuhr von Cannabis zu Konsumzwecken ist nach internationalem Recht illegal. Das liegt daran, dass es unter das geschlossene Einheitsabkommen der Vereinten Nationen über Betäubungsmittel von 1961 fällt. Dies verbietet den Handel, einschließlich der Ein- und Ausfuhr, von Cannabis der zu Freizeitzwecken dient.
Wenn die neue Regierung keine internationalen Verträge brechen will, müsste Cannabis in Deutschland angebaut werden. Nach dem Einheitsabkommen über Betäubungsmittel darf es jedoch nur für medizinische Zwecke angebaut werden. Die Regierung müsste also ein neues Gesetz schaffen, das dies zulässt.
Ein Blick in andere Länder – Legalisierung von Cannabis
Wie Deutschland bei der Legalisierung vorgeht, wird von anderen Ländern genau beobachtet werden. Das Thema wird auch in vielen anderen Ländern diskutiert. Deutschland hat auch die Chance, die Fehler zu vermeiden, die andere Länder bei der Freigabe von Cannabis für Freizeitzwecke gemacht haben.
In den Niederlanden zum Beispiel, wo Cannabis zwar nicht legalisiert ist, aber seit Jahrzehnten in Coffeeshops an Erwachsene für den Eigenbedarf verkauft werden darf, ist die Abgabe anders geregelt als der Kauf. Coffeeshops durften es zwar abgeben, aber nicht legal kaufen – ein Schlupfloch, das Drogenbanden zu ihrem Vorteil genutzt haben. Dies hat zu einem Anstieg der Kokainverkäufe geführt.
Der Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und FDP lässt viel Interpretationsspielraum, wie die Legalisierung in Deutschland erfolgen soll. In dem Papier heißt es lediglich: „Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein. Dadurch wird die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet.“
Der richtige Ort für den Cannabisverkauf – Apotheken?
Apothekerin Dolfen in Berlin kann sich sehr gut vorstellen, Beratungen auch für Freizeitcannabis anzubieten. Neben der Möglichkeit, ein neues Geschäftsfeld zu erschließen, sieht sie auch die Chance, die Rolle der Apotheke in der öffentlichen Wahrnehmung zu verbessern. Zu diesem Thema äußert sie: “Wir sind keine Schubladenzieher und Beipackzettel-Erklärer. Wir haben im pharmazeutischen Kontext eine wichtige Funktion als unabhängige Instanz zwischen Herstellern und Kundinnen und Kunden. Diesen Anspruch sollten wir auch bei Freizeitcannabis vertreten.”
Doch nicht jeder in der Zunft denkt so wie Melanie Dolfen. Laut einer Umfrage der Deutschen Apothekerzeitung unter mehr als 4.400 Lesern finden nur rund 34 Prozent der Befragten, dass Apotheken der richtige Ort sind, um Cannabis für den privaten Gebrauch zu verkaufen.
Gabriele Regina Overwiening, die Präsidentin der Bundesapothekerkammer, hatte bereits im November letzten Jahres erklärt, dass wenn Cannabis jemals legalisiert werden sollte, können ihrer Meinung nach nur Apotheken die Sicherheit der Verbraucher gewährleisten.
Aber die Unternehmen der Cannabiswirtschaft werden das Feld sicher nicht den Apotheken überlassen: Der Verband fordert, mehr Lizenzen an Fachgeschäfte zu vergeben. Die Diskussion über die Legalisierung von Cannabis für den Freizeitkonsum hat erst kürzlich angefangen.
Seit er 2013 als freier Autor tätig ist, schreibt Anton Huber über eine Vielzahl von Themen, sein besonderes Interesse gilt jedoch den Auswirkungen von Cannabis auf die menschliche Gesundheit. Er berichtet über aktuelle Studien und deren Ergebnisse sowie über weltweite Nachrichten zum Thema Hanf. Als Chefredakteur der Deutschen Hanf Zeitung setzt sich Anton Huber dafür ein, die Öffentlichkeit über die Vorteile von Cannabis und seine verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten aufzuklären.